„Nicht verordnet, sondern gewachsen“

1976 wurde die Partnerschaft zwischen Ars und Freihalden offiziell besiegelt

Nachfolgender Text von Jürgen Bigelmayr erschien am 23. Mai 2006 zum 30-jährigen Partnerschaftsjubiläum Ars – Freihalden in der „Günzburger Zeitung“:

Eine Hochzeit eines deutsch-französischen Paares aus Freihalden und Ars – das hatte sich Eugen Rogg als Krönung für sein Lebenswerk immer erhofft. „Leider hat sich sein großer Wunsch bisher nicht erfüllt“, bedauert seine Tochter Angelika Rogg-Bigelmaier. Aber sonst „wird er uns schon loben, dass wir es nicht haben schleifen lassen“, meint die 49-Jährige auf die Frage, was ihr Vater wohl empfinde, wenn er jetzt – 18 Jahre nach seinem Tod mit 72 Jahren – vom Himmel herab auf die offiziell seit 30 Jahren bestehende Freundschaft zwischen Ars und Freihalden blickt. 

Eugen RoggEugen Rogg war der Initiator und Motor der Partnerschaft zwischen seinem Heimatdorf Freihalden und dem kleinen Wallfahrtsort bei Lyon, in den er seit Anfang der 60er-Jahre alljährlich zum Todestag des „Heiligen Pfarrers von Ars“ (4. August) pilgerte. 
Bei seinen Ars-Besuchen knüpfte Rogg freundschaftliche Verbindungen mit Einheimischen. So lernte er auch den damaligen Bürgermeister Jean-Claude Dupont und Pfarrer Chanel kennen. Rogg regte – auch bei Freihaldens Bürgermeister Karl Mayer – gegenseitige Besuche von Bürgergruppen beider Gemeinden an. 1974 machte eine Freihalder Delegation zum Arser Wallfahrtstag, 4. August, den Anfang; nur einen Monat später kam eine Arser Abordnung zum Gegenbesuch nach Freihalden. Erste persönliche Freundschaften bahnten sich dabei an, die sich über die Jahre vertieften und vielfach bis heute halten.
Ein Jahr später, beim zweiten Freihalder Besuch in Ars, verabredeten die Bürgermeister Mayer und Dupont auf Initiative von Eugen Rogg, die entstandene Freundschaft zwischen beiden Orten offiziell zu besiegeln. Im Rahmen der zweiten Bürgerbegegnung in Freihalden unterzeichneten Mayer und Dupont bei einem Festabend am 11. September 1976 die Partnerschaftsurkunden und den Verbrüderungseid. 1977 wurde das Gründungszeremoniell auf französischem Boden wiederholt. 
Nie mehr Feindschaft zwischen Deutschen und Franzosen!
Diesmal signierte für die Gemeinde Ars der neu gewählte Bürgermeister André Gillet. Rogg, Mayer, Dupont und Gillet – alle waren sie Kriegsteilnehmer gewesen. „Sie teilte die Überzeugung, dass es Feindschaft zwischen Deutschen und Franzosen nie mehr geben darf“, so Rogg-Bigelmaier. 
Auch in den vielen Jahren, die seither vergangen sind, erhielten Arser und Freihalder die Tradition der alljährlich wechselnden Besuche stets aufrecht. Die Teilnehmer der Reisen wohnen dabei bei einheimischen Familien. „Unsere Partnerschaft ist intim, wir sind uns vertraut“, sagt Irmgard Gogg, Nachfolgerin von Rogg-Bigelmaier als Vorsitzende des Ars-Komitees. Jeweils (fast) das genze Dorf ist eingebunden, es begegnen sich nicht vorwiegend die Kommunalpolitiker und Vertreter des öffentlichen Lebens. Die Freundschaft zwischen Ars und Freihalden, so sagt Rogg-Bigelmaier, „ist nicht von oben verordnet, sondern von unten gewachsen“. Auch zwischen den offiziellen Treffen halten viele Freihalder und Arser Kontakt: Sie schreiben sich, telefonieren und laden einander gegenseitig zu Familienfesten ein.
Rogg-Bigelmaier ist wie einige andere aus Freihalden und Umgebung seit der ersten Stunde dabei. „Am Anfang waren die Sprachprobleme enorm“, berichtet sie. Dennoch fanden die meisten Wege, sich mit ihrem französischen Gegenüber zu verständigen – durch Zeigen, Zeichen, viel Blättern im Wörterbuch und die Sprache des Herzens. Im Laufe der Jahre wurde die Sprachbarriere immer niedriger.
Auch die Lebenswelten der jeweils anderen sind den deutsch-französischen Freunden längst nicht mehr fremd. In den Anfangsjahren staunten die Arser noch über die großen deutschen Ehebetten oder die Blumenpracht in den Freihalder Gärten. Die Freihalder mussten sich erst an das Küsschen-Geben oder das lang zelebrierte Essen gewöhnen. Bei allem inzwischen Vertrauten sind die Partnerschaftstreffen gleichwohl für alle Beteiligten nach wie vor stets aufs Neue ein Erlebnis.